Sehen und gesehen werden
Die Idee hinter sozialen Netzwerken wie Facebook ist es ja, dass man in Kontakt bleibt oder dank Suchfunktion lange verschollene Bekanntschaften wiederaufnimmt. Man kann miteinander chatten, Bilder und Videos veröffentlichen, Likes abgeben und Kommentare hinterlassen. Obwohl Facebook so den Austausch zu Bekannten und Verwandten fördern soll, reduziert die Seite laut einer Studie der University of Michigan das subjektive Wohlbefinden der jungen User. Denn bald schon stellt sich heraus, dass nach dem Einloggen die Beziehung zu anderen eher nebensächlich wird, dafür das Selbstbild immer mehr in den Fokus rückt. Im Web stellt man sich nicht selber zur Schau, sondern präsentiert der Welt ein entworfenes Profil. Ein verzerrtes Abbild seiner selbst, welches nun in einer grossen digitalen Scheinwelt abgespeichert wird. Während die einen ihre Bilder noch ein wenig pushen und mit Photoshop nachhelfen, erfinden sich andere gleich von Grund auf neu und hinterlassen falsche Angaben. Auch im echten Leben zeigt man sich gerne von seiner besten Seite - im Web ist dies noch einfacher zu gestalten, denn niemand weiss, was sich hinter dem Profil wirklich verbirgt. Man macht sich hübscher, reicher, beliebter und interessanter. Jeder soll sehen, was für tolle Ferien man auf Hawaii verbracht hat, wie gross die Ausbeute beim Shopping-Trip war und wie schön man es in den eigenen vier Wänden hat. Gleichzeitig klickt man sich durch all die Profil-Seiten seiner «Freunde» und sieht, wie die einen übertrumpfen. Einige schrecken auch nicht davor zurück, jedes Detail zu posten und damit zu prahlen. Hier sind Eifersucht und Minderwertigkeitsgefühle bereits vorprogrammiert. Vor allem passive Nutzer (Schüchterne, die eher konsumieren, als selber Inhalte zu generieren) können sich von dieser Scheinwelt total verunsichern lassen. Dieser permanente Vergleichsdruck bedeutet nebenbei auch viel Zeitaufwand und während man sein digitales Ich stets auf Vordermann bringt, verkümmern daneben die echten Sozialkontakte. Schon 2010 fand die Mental Health Foundation heraus, dass gerade wegen Facebook und Co. Einsamkeit bei unter 35-jährigen viel öfter vorkommt als bei den ü55.
Jung, vernetzt und doch allein
Das oben beschriebene Szenario ist generell gehalten, denn auch Erwachsene können sich von Facebook und Co. blenden lassen und erliegen dieser digitalen Märchenwelt. Doch je älter man wird, desto mehr hinterfragt man solche Dinge, geht differenzierter damit um oder ignoriert diese Seiten schlichtweg. Doch gerade Teenager befinden sich in einer Phase der Selbstfindung, sind sowieso schon verunsichert und wenn alle anderen es tun, muss man natürlich mithalten. Während man sich früher per Telefon verabredet hat und den ganzen Tag draussen verbrachte, sitzt die Jugend von heute vor dem Smartphone und textet sich durch das Wochenende. Es sind nicht bloss die sozialen Netzwerke, sondern auch Messenger wie WhatsApp, die das heutige Freizeitverhalten umgekrempelt haben. Dank den heutigen Smartphones ist man so flexibel und erreichbar wie noch nie. Was einerseits sehr nützlich ist, wenn man der Verabredung eine Zugverspätung durchgeben kann, ist ebenso schädlich, da man sich nun nicht im vornherein festlegen muss, also alles spontan und unverbindlich gestalten kann. So chattet man vielleicht einen ganzen Nachmittag, um sich zu einigen, wo man sich nun mit wem um welche Zeit trifft, damit man dann schlussendlich doch alleine zuhause bleibt, weil die Hälfte plötzlich keine Zeit oder Lust mehr hat und der Rest lässt nichts mehr von sich hören, obwohl alle bis zum Schluss online waren. Oder man trifft sich in einer gemütlichen Runde und nach 5 Minuten hängt jeder an seinem Gerät, um der Aussenwelt mitzuteilen, was man gerade tut oder man zieht sich die neusten Katzen-Videos auf Youtube rein. So gestaltet sich die Freizeit von Jugendlichen heute vermehrt einsam. Und wie umgeht man dieses Gefühl besser, als sich vor dem TV zu positionieren und seinen treuen Begleiter das Smartphone zu konsultieren? Auf Facebook entdeckt man dann all die tollen Fotos seiner Bekannten und fühlt sich gleich noch schrecklicher.